10. Presse-Briefing: Ermittlungsdefizite, absurde Erinnerungslücken und ein seltsames Angebot!

In der 11. Sitzung am 10. November 2022 hat sich der NSU-Untersuchungsausschuss mit der Frage der Versendung einer Bekenner- DVD des NSU an einen szenebekannten Betreiber eines Online- Neonazishops (Patria-Versand), Franz Glasauer, beschäftigt.

Dazu Cemal Bozoglu: „Erneut hat sich herausgestellt, dass die Ermittlungen nicht vollständig und bekannte Neonazis nicht als Verdächtige genauer unter die Lupe genommen wurden. In der Vernehmung des damaligen Beamten der Kriminalpolizeiinspektion Erding, Gerhard Karl, war der Umgangston mit Franz Glasauer „freundlich“, wobei man sich „auf Augenhöhe begegnet ist“ “.

Dass Glasauer mehrfach wegen Volksverhetzung und dem Verkauf von indizierten CDs verurteilt wurde, wusste Karl. Über weitere Verbindungen von Glasauer konnte er aber nicht berichten. Seiner Aussage nach habe er den Anruf von Glasauer erhalten, dass die Bekenner- DVD des NSU an den Patria-Versand per Post einging, das Kuvert jedoch in den Müll geschmissen wurde. Weitere Nachforschungen, wie beispielsweise das Durchsuchen der Mülltonnen, sah er zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht für notwendig an.

Im Gegensatz dazu äußerte Franz Glasauer, dass er das Kuvert wahrscheinlich nicht weggeschmissen, sondern den ermittelnden Beamten mitgegeben habe. Außerdem habe er einem dieser Beamten mitgeteilt, dass er sich vorstellen kann, seinen Patria-Versand auch an den Verfassungsschutz zu verkaufen. Obwohl es dann doch nicht zu diesem Verkaufsgeschäft kam, wirft allein dieses Angebot an einen Angehörigen der rechtsextremen Szene Fragen auf. Die Zeugenbefragung von Glasauer gestalte sich aber insgesamt schwierig, da dieser sich immer wieder auf teilweise absurde Erinnerungslücken berief. Dennoch gelang es dem Vorsitzenden des NSU – UA II, Toni Schuberl, bei seiner Befragung, Glasauer nicht nur auf Unstimmigkeiten in seinen Aussagen hinzuweisen. Schuberl brachte ihn nach einer Stunde schließlich auch dazu zuzugeben, dass er 1998 beim sogenannten „Tag des Nationalen Widerstands“ in Passau der NPD nicht nur dabei gewesen war, sondern dort mit Neonazigrößen aus ganz Deutschland als Ehrengast teilgenommen hat.

Brisant ist hierbei, dass diese Veranstaltung kurz nach dem Untertauchen des NSU – Kerntrios stattfand und sich alle Neonazigrößen versammelten, darunter auch Franz Glasauer. Dass er sich in diesem Zuge dann nicht erklären konnte, weshalb er als Betreiber eines Neonazi- Shops, mit Kapazitäten der Vermehrung und Weiterverbreitung der Bekenner – DVD des NSU und einer nach eigener Aussage mindestens 20.000 Namen und Adressen umfassenden Kundenstammdatei eine solche Post erhalten hat, reiht sich in die bisherigen Aussagen von Neo-Nazis vor unserem und anderen Untersuchungsausschüssen, wie auch Gerichten ein: Irgendwie können sie sich Zusammenhänge nicht erklären, wissen nichts, oder haben es vergessen.

In der 14. Sitzung am 21.November 2022 um 14 Uhr wird der Untersuchungsausschuss sich dem NSU-Brief von 2002 an rechtsextreme Organisationen (Tatkomplex F) beschäftigen und hierzu Zeugen befragen.

Verwandte Artikel