12. Sitzung am 07.11.2022

Am 07.11.2022 wurde die Zeugenvernehmung zum Taschenlampenanschlag fortgesetzt. Im Fokus dieser Sitzung standen die Ermittlungen unmittelbar nach dem Anschlag im Jahr 1999. Als erster Zeuge wurde Kriminalkommissar Anton H. vernommen. Er hat in der Kriminaldirektion Nürnberg unmittelbar nach der Tat den Tatortfundbericht erstellt und die Vernehmung des Geschädigten Mehmet O. durchgeführt.

Seine Befassung mit den Ermittlungen war jedoch kurz, da er noch am Tattag vom LKA angewiesen wurde den Tatort zu versiegeln, damit diese die weiteren Ermittlungen übernimmt. Im Rahmen seiner Vernehmung betonte er, dass er aus kriminalistischen Gründen nicht nachvollziehen kann, wieso die Staatsanwaltschaft Nürnberg das Delikt als „fahrlässige Körperverletzung“ eingestuft hat. Denn die Anzeige war polizeilich als „gefährliche Körperverletzung“ in Verbindung mit dem „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ klassifiziert. Von einer „vorsätzlichen Tötung“ wurde nicht ausgegangen, da noch keine weitergehende Sprengstoffanalyse vorlag und er vom Verletzungsbild des Geschädigten ausging. Der Zeuge teilte aber mit, dass er wegen des Tatmittels Sprengstoff den Staatsschutz hinzugezogen hatte, da es in der Vergangenheit Probleme mit Schutzgelderpressungen in türkischen Geschäften in Nürnberg gab und er herausfinden wollte, ob der Staatsschutz noch mehr über die Gaststätte wusste. Das war jedoch nicht der Fall. Es gab keine Vorfälle. Von einem rechtsextremen Anschlag ging er nicht aus, da er keine eindeutigen Hinweise wie ein „Hakenkreuz“ am Tatort gefunden hatte. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass solch klare Hinweise bei rechtsterroristischen Anschlägen die klare Ausnahme darstellen, da in der Regel die Tat durch die Opferauswahl bereits ausreichend für sich spricht.

Als nächster Zeuge wurde Kriminalkommissar Ostermair vernommen, der für das LKA die Ermittlungen zum Taschenlampenattentat geführt hat. Diese hatte das LKA am Tag nach der Tat übernommen. Er sagte aus, dass es in den Wohnhäusern in Tatortnähe Befragungen von Anwohnenden gab. Diese seien jedoch ergebnislos verlaufen. Auch das Umfeld des Geschädigten habe keinen Hinweis auf die Tatverantwortlichen erbracht. Der Zeuge betonte ferner, dass Sprengstoffanschläge im Raum Nürnberg sehr selten waren und er eine Tatmittelmeldung an das BKA gestellt habe, ohne jedoch eine Rückmeldung von der Behörde zu erhalten. Eine Überprüfung von Personen, die zur Fahndung ausgeschrieben waren, erfolgt seinerseits hingegen nicht. Von besonderer Relevanz ist, dass der Zeuge ausgesagt hat, dass der Kriminaldauerdienst (KDD) Nürnberg die Tat von einer „gefährlichen Körperverletzung“ zu einer „versuchten Tötung“ hochstufen wollte. Diese sei aber durch die Staatsanwaltschaft zurückgestuft worden. Ostermair betonte, dass „definitiv umfangreiche Ermittlungen vorgenommen worden [wären]“, wenn es sich um ein ungeklärtes Tötungsdelikt gehandelt hätte und auch keine Vernichtung der Asservate erfolgt wäre.

Im Anschluss wurde als Zeugen die Oberstaatsanwältin Klotzbücher vernommen. Sie räumte gleich zu Beginn ihrer Vernehmung ein, dass sie nach einem Fax von der Polizei versehentlich als Delikt „fahrlässige Tötung“ eingetragen habe. Nach dem Eingang der Akte hätte das in „gefährliche Körperverletzung“ geändert werden sollen, was sie jedoch übersehen habe. An die konkrete Fallbearbeitung will sie sich jedoch nicht erinnert haben. Da sie in der Vernehmung aber auch angab, dass Sprengstoffanschläge in Nürnberg sehr selten waren und sich darüber hinaus noch am Anfang ihrer Tätigkeit für die Staatsanwaltschaft Nürnberg befand, ist das nur schwer nachzuvollziehen. Für Entsetzen im Untersuchungsausschuss sorgte die Aussage der Zeugin, dass sie, ohne Wissen von dem NSU-Tathintergrund, auch jetzt von einer gefährlichen Körperverletzung ausgehen würde, wenn sie die Akte vorgelegt bekäme. Da diese aber einen Ermittlungsbericht enthielt, in dem explizit beschrieben wurde, dass der Sprengsatz bei korrekter Funktionsweise eine potenziell tödliche Wirkung gehabt hätte, zeugt diese Aussage von einem erschreckenden Mangel an Einsicht. Die Zeugin ging bei Durchsicht der Akten wie die zuvor angehörten Zeugen nicht von einem rechtsextremen Anschlag aus und gab auf Nachfrage an, im Rahmen ihrer Ausbildung keine Fortbildung zum Thema Rechtsextremismus erhalten zu haben. Es ist daher mehr als nachvollziehbar, dass der Untersuchungsausschussvorsitzende Toni Schuberl nach der Befragung konstatierte: „Wir brauchen Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die rechtsextreme Fälle richtig einordnen können. Das haben wir an diesem Beispiel eindrücklich gesehen.

Die letzte Zeugin, die in der Sitzung vernommen wurde, war Daniela Otoran. Sie war ungefähr von November 1998 bis Anfang Februar 1999 Unterpächterin des Lokals „Sonnenschein“, bevor dieses von Riza B. übernommen wurde. In ihrer Vernehmung teilte Frau Otoran Details zur Führung des Betriebs mit, aber auch zu Kund*innen des Lokals. An diesen bemerkte sie jedoch nichts Auffälliges. Außerdem gab es in der kurzen Zeit, in der sie das „Sonnenschein“ führte, dass sie als Café betrieb, keine rechtsextremen Vorfälle und keinen Kontakt zu Nachbar*innen. Sie gab an, dass ihr nach dem Anschlag von den ermittelnden Kripobeamten Lichtbilder vorgelegt wurde. Davon erkannte sie zwei Personen des NSU-Kerntrios, wovon mit Sicherheit eine Beate Zschäpe war. Beide kannte sie jedoch nur aus den Medien.

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