In der 18. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss wurden zwei Zeugen des BKA vernommen, die seit zehn Jahren führend an den Ermittlungen beteiligt sind. Die beiden gemeinsam befragten Kriminalbeamten zeigten eine PowerPoint-Präsentation. Vorab betonten sie, dass die sogenannte „zehntausender Liste“ einen falschen Eindruck erwecke und man an 10.000 mögliche Anschlagorte denke. Es handle sich vielmehr um Datensätze, anhand einer Schlagworte-Suche. Diese wurden später vom NSU- Kerntrio gefiltert, um daraufhin die sortierten Ergebnisse der Adressen auszuspähen.
In der PowerPoint-Präsentation erläuterten die beiden NSU-Ermittler die Arbeit und Grundlage der Ermittlungsergebnisse zu Tatortausspähungen anhand der beiden Mordfälle des NSU an Theodoros Boulgarides vom 15. Juni 2005 in München und İsmail Yaşar vom 09. Juni 2005 in Nürnberg. In beiden Fällen handle es sich um zufällig gewählte Orte, die im Zuge der Ausspähung bestimmter Einrichtungen aufgefallen sein müssen, so die Beamten. Obwohl die Präsentation detailreich war, konnten die beiden Zeugen nicht schlüssig erklären, warum auf der 10.000er Liste am Ende keiner der Tatorte markiert war, sondern schlussendlich immer Zufallsopfer, insbesondere mit türkischer Migrationsgeschichte, ausgewählt worden waren. Daher äußerte das Ausschussmitglied Cemal Bozoğlu nach der Präsentation gegenüber den BKA-Zeugen: „Auch ihre heutigen Schilderungen verlassen nicht das eng genähte Korsett der Bundesanwaltschaft wie es schon vor dem Oberlandesgericht München standgehalten hat.“
Die beiden Ermittler vertraten zudem die Auffassung, dass das NSU- Kerntrio allein gehandelt habe und kein Unterstützer*innen-Netzwerk gehabt habe. Wie die Signalwirkung dann in die Neo-Nazi Szene hätte wirken sollen, wurde nicht erörtert. Ebenso wenig, die Frage von Cemal Bozoğlu, bezüglich der äußerst fragwürdigen Zufälle, dass in der Nähe vieler Tatorte Szene bekannte Neo-Nazis sich trafen oder gar wohnten. Deutlich wurde am Ende der Sitzung, dass noch immer viele Fragen offen sind.
In der nächsten Sitzung am 30.01.2023 werden wird ein Zeuge des BKA und einer aus dem Regionalen Einsatzabschnitt Bayern zu Tatortausspähungen befragt. Außerdem wird in geheimer Sitzung ein Mitarbeiter des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz zu diesem Fragenkomplex befragt werden. Die Sitzung beginnt an diesem Tag im Konferenzsaal.
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